Sonntag, 25. April 2021

Die Wurzeln des Neuen Kalten Kriegs gegen Russland

 

Die Wurzeln des Neuen Kalten Kriegs gegen Russland

19. März 2021

Von Rainer Rupp

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Um diese Ursprünge und Ursachen des „Neuen Kalten Kriegs“ gegen Russland zu verstehen, müssen wir zurück in die Jahre 1990/1991. Das war die Zeit, in der die Vereinigten Staaten als einzige verbliebene Supermacht damit begannen, ihre Vision für die postsowjetische Welt zu formulieren, die entsprechenden Strukturen zu schaffen und umzusetzen.

Der zu dieser Zeit von den USA geführte Krieg gegen den Irak diente dem damaligen US-Präsidenten George Bush als willkommene Bühne, um in seinen öffentlichen Reden das Konzept seiner “Neuen Weltordnung” anzupreisen, die – natürlich unter US-Führung – „der Welt dauerhaften Frieden und Wohlstand bringen würde“.

Die Entwürfe für diese Neue Weltordnung (NWO) wurden allerdings im Pentagon erstellt. Ein gewisser General Walter R. Sharp, Leiter der Arbeitsgruppe zur Definition von Bushs NWO, stellte beispielsweise fest, dass die Schaffung einer “internationalen Gemeinschaft, die physisch sicher, wirtschaftlich stabil und kulturell frei ist”, nur durch die “weitere Entwicklung der internationalen wirtschaftlichen Interdependenz und durch den Abbau aller nationalen Barrieren für den wirtschaftlichen und finanziellen Austausch gelingen würde“, mit anderen Worten, die Neue Weltordnung könnte nur unter der Bedingung der totalen Globalisierung Erfolg haben.

Um dem Nachdruck zu verleihen, verurteilte General Sharp natürlich das Prinzip der nationalen Souveränität als einen überholten, aber immer noch “populären Fetischismus”. Heute wird diese Meinung sogar von vielen jungen, “Keine Grenzen- Keine Nationen“-Linken geteilt, die immer noch eine unkontrollierte Einwanderung fordern und sich auch innerhalb der EU für ein Ende der nationalen Souveränität der Mitgliedstaaten einsetzen.

Aber zurück zum Entwurf von Bushs neuer Weltordnung 1990/91. Der Pentagon-Wissenschaftler und US-Regierungsberater Daniel S. Papp definierte Bushs NWO als eine von den USA angeführte “unipolare Welt, die auf höchster Ebene auf amerikanischer Militärmacht basierte”.

 Auf der darunter liegenden Ebene würde die Welt im Rahmen der Globalisierung in drei Wirtschafts- und Handelsblöcken organisiert werden, die von der Finanzmacht Washington kontrolliert würde.

Die EU sollte einer dieser Blöcke sein.

Aber was würde mit den Nationen passieren, die souverän bleiben wollten und ihre Interessen anders definieren, als die von den USA angeführte “internationale Gemeinschaft”? Auch dafür hatten die NWO-Designer im Pentagon dafür bereits eine Lösung: Diese Nationen würden zu Schurken- oder Aggressor-Staaten erklärt werden, die nichts Gutes zu erwarten hatten. Der Leiter der NWO-Rüstungsgruppe, der Pentagon-Mitarbeiter R. Wright stellte klar: 

“Die Lehre aus dem Irakkrieg (der von 1991) war, dass ein kleiner Staat sich nicht gegen die Luftwaffe einer Supermacht verteidigen kann.” Diese Überlegung wurde in der Folgezeit weithin als “wirklich visionäre Strategie für die internationale Polizeiarbeit” gepriesen.

Sogar Präsident Bush knüpfte persönlich daran an und erklärte in einer Rede, dass mit Blick auf das Schicksal des Irak im Krieg des Jahres 1991 alle anderen Schurkenstaaten erkennen müssten, dass angesichts “der Schrecken des Krieges keine Nation gegen die vereinte Weltgemeinschaft standhalten kann” und dass es daher besser für jeden Schurkenstaat sei, “zur Familie friedliebender Nationen zurückzukehren”.

Diese Kernelemente von Bushs NWO spiegeln sich in den verschiedenen Rechtfertigungen für das wider, was wir heute als neoliberale Globalisierung kennen, oder was die Eliten die regelbasierte internationale Ordnung nennen.

An der Oberfläche dreht sich alles um Freihandel, Demokratie, wirtschaftlichen Wohlstand und westliche Werte im Rahmen der neoliberalen Globalisierung, aber darunter geht es um die Drohung mit,  oder den Einsatz von roher, militärischer Gewalt zum Wohle der internationalen Eliten dieser westlichen „Wertegemeinschaft“.

Thomas L. Friedman, in jenen Jahren einer der einflussreichsten Kommentatoren der New York Times und damit der USA, hielt das in seinem “Manifesto for a Fast World” wie folgt fest: “Der Kapitalismus des freien Marktes und seine Verbreitung in praktisch allen Teilen der Welt … wird in erster Linie durch die US-Militärmacht geschützt“.

Acht Jahre später im März 1999, an dem Tag, an dem die US-geführte NATO ihren Angriffskrieg gegen Rest-Jugoslawien begann, schrieb Thomas Friedman in der New York Times: “Damit die Globalisierung funktioniert, darf Amerika keine Angst haben, als die allmächtige Supermacht zu agieren, die es ist. Die unsichtbare Hand des Marktes wird ohne den F-15-(Kampfjet) Designer McDonnell-Douglas nie funktionieren. Und die unsichtbare Faust, die sicherstellt, dass die Welt für McDonalds (Hamburger Restaurants) und Silicon-Valley-Technologien sicher ist, heißt U.S. Army, U.S. Navy, US-Air Force und Marine Corps.”

Zu dieser Zeit, nämlich des Krieges gegen den Rest Jugoslawiens, war Bushs Neue Weltordnung längst von den Eliten der westlichen Wertegemeinschaft angenommen worden und fest etabliert! Dies zeigen die folgenden Auszüge aus einer Analyse des privaten, fast ausschließlich mit ehemaligen Mitarbeitern westlicher Spionagedienste besetzten, Nachrichtendienstes Stratfor vom August 1998.

In dieser Analyse unterstreicht Stratfor mit einem gewissen Ton der Überraschung, dass “die US-Vision der NWO von einem Großteil der Weltelite geteilt wurde, trotz des anhaltenden US-Unilateralismus. Stratfor zufolge liegt der Erfolg dieser “Ideologie der Neuen Weltordnung” darin, dass grundlegende politische Differenzen zwischen den Nationen- genauer zwischen den Eliten der Nationen verschwunden waren“. Damit habe Bushs NWO eine neue Qualität in den Beziehungen zwischen den kapitalistischen, imperialistischen Staaten geschaffen.

Weiter im O-Ton Stratfor:  “Nach dieser NWO-Vision waren grundlegende politische Meinungsverschiedenheiten zwischen den Nationen verschwunden. Anstatt ideologisch gespalten zu sein, einigten sich nun alle großen Nationen auf grundlegende Grundprinzipien. Vernünftige Menschen (bzw. Eliten) überall akzeptierten die These, dass Wirtschaftswachstum und Wohlstand Interessen sind, die über alles andere gehen. Unter diesen Bedingungen war es von wesentlicher Bedeutung, die internationale Stabilität aufrechtzuerhalten, um diesen Wohlstand zu fördern.”

“Weil sich nun alle großen Nationen einig waren, dass Wohlstand und internationale Stabilität höchste Priorität hatten, gab es keine grundlegenden internationalen Streitigkeiten mehr von der Art, die zu den beiden Weltkriegen und dem Kalten Krieg geführt hatten. Es gab keine größeren Probleme mehr. Die einzigen internationalen Probleme, mit denen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten noch konfrontiert waren, waren marginaler Art, wie das Management der Schurkenstaaten Irak und Nordkorea, oder interne Instabilität wie in Jugoslawien und Somalia oder Ausbrüche des internationalen Terrorismus.“

Immer noch im O-Ton von Stratfor: „Da nun alle Nationen vernünftig waren und jede vernünftige Nation die Notwendigkeit sehen konnte, dass verhindert werden musste, dass Bürgerkriege, Schurkenstaaten oder Terrorismus Elend verbreiten und die Finanzmärkte(!) verunsichern, waren folglich alle Nationen bereit, bei der Bewältigung dieser marginalen Probleme zusammenzuarbeiten. Das (gemeint sind Kriege wie gegen Jugoslawien) waren schließlich Randfragen.

Was wirklich gemanagt werden musste, war das internationale Wirtschaftssystem, insbesondere die Integration ehemaliger kommunistischer Nationen in dieses System.” (Stratfor Zitat Ende)

Zur Zeit dieser Stratfor-Analyse, also August 1998, waren die westlichen Eliten fest davon überzeugt, dass sie auch die Eliten der russischen Jelzin-Regierung unwiderruflich an Bord ihrer Neuen Weltordnung hatten.

Einen Weg zurück zur nationalen Souveränität Russland hielten sie für ausgeschlossen, auch noch als sich die ersten Folgen des Zusammenbruchs der russischen Finanzwirtschaft im selben Jahr abzeichneten. Die institutionellen Strukturen des Westens zur Hilfe in der Krise versagten. Weder der Westen noch der IWF konnten oder wollten helfen.

Diese Erfahrung hat damals in Moskau alles verändert und eine neue Entwicklung eingeleitet. Sie brachte neue, vom westlichen Neo-Liberalismus unverdorbene Kräfte ins Spiel, die den Ausverkauf der russischen Wirtschaft an westliche Eliteinteressen auf Kosten des leidenden russischen Volkes ablehnten. 

Schließlich trat Wladimir Putin als Anführer einer Bewegung auf, die in einem langen Kampf Russlands Souveränität wieder herstellte und von westlichen Finanz-Zwängen, Schuldenfallen und wirtschaftlicher Erpressung befreiten.

Darin finden wir meiner Meinung nach den Grund, warum Russland von den globalen, neoliberalen Eliten von Washington über Brüssel bis Berlin heute als Schurken-Staat betrachtet und auch so behandelt wird.

Tatsächlich stellt Russland nicht nur für viele Länder der Dritten Welt, die sich gegen genau dieselben Zwänge der neoliberalen Globalisierung zu wehren versuchen, von denen sich Moskau befreit hat, eine wertvolle Alternative dar. Allein die Existenz Russlands, dass es trotz aller Sanktionen des Westen wirtschaftlich wächst und gedeiht, außerhalb des Westen international hohes Ansehen genießt, nicht zuletzt, weil Russlands mit seiner überragenden Diplomatie und seiner Militärmacht ein Bollwerk des Völkerrechts darstellt, gegen die imperialistischen Raub- und Wirtschaftskriege des Wertewesten.

Da der Westen in einem offenen Krieg Russland nicht besiegen kann, ohne inakzeptabel hohe Zerstörungen zu riskieren, werden die neoliberalen Eliten des Westens weiterhin alles versuchen, Russland unterhalb der Kriegsschwelle in die Knie zu zwingen, z.B. im Rahmen einer Farbenrevolution infolge einer konzertierten Destabilisierung der russischen Wirtschaft und des Zusammenhalts der Bevölkerung.

Zugleich wird die Diffamierung von Russlands internationalem Ansehen – als Beispiele seien die Fälle Skripal und Navalny genannt – als Teil einer koordinierter Operationen der westlichen Abteilungen für Psychologische Kriegsführung weitergehen.

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